Unterstützergeschichten
Eine spontane Entscheidung auf dem Weihnachtsmarkt kann eine Lebensgeschichte verändern
Es beginnt im Jahr 1992. Während eines Weihnachtsmarktes im Völkerkundemuseum Hamburg, entscheide ich mich spontan am Stand der Deutschen Tibethilfe, eine Patenschaft für ein kleines Mädchen zu übernehmen: Kelsang Youdon aus Shimla.
Ihr Foto rührt mich und es ist ja für mich nur ein kleiner Geldbetrag monatlich. Ich denke nicht viel darüber nach und bin eine faule Patentante, schreibe wenig und sende nur ab und zu ein kleines Paket mit Hilfe der Deutschen Tibethilfe zu ihr.
Kelsang besucht die Schule, macht eine Ausbildung, sie beginnt eine Arbeit am Men-Tse Kang in Dharamsala. Wir schreiben uns e-mails, viel schneller ist so der Austausch als durch Briefe nach Indien.
Aus dem kleinen Mädchen ist eine erfolgreiche, hübsche junge Frau geworden, die mir selbstbewußt auf Fotos entgegenschaut. In regelmäßigen Abständen erreichen mich Briefe und Fotos.
Im Jahr 2016 entscheide ich mich, Kelsang, die inzwischen 28 Jahre alt ist, nach Hamburg einzuladen. Wir telefonieren und sprechen ganz offen über unsere Erwartungen. Es ist mir wichtig, dass Kelsang weiss, dass es ein Besuch für 2 Wochen ist. Ich möchte nicht, dass sie sich Hoffnungen auf etwas anderes macht.
Von September 16 bis April 17 kämpfen wir um ein Visum. Kelsang fährt 12 Stunden nach Delhi zum Dt Konsulat. Muss zurück, weil wieder etwas fehlt. Ich bürge in Hamburg. Kelsang besorgt zusätzlich Exit Permit und Entry Visa – Reisepapiere für Tibeter in Indien.
Wir beantragen ein Shengenvisum für 2 Wochen. Es wird abgelehnt und wir sind enttäuscht und niedergeschlagen.
Ich bin wütend und schreibe einen Brief an das Konsulat in Delhi. Es geschieht etwas, womit wir nicht gerechnet hätten. Wir bekommen nach 2 Tagen eine e-mail vom Konsulat. Kelsang darf unter Auflagen nach Deutschland reisen.
Der Freude und Erleichterung folgt die Aufregung der Reisevorbereitungen. Wir tauschen Ratschläge, ich sende ein Flugticket und sie macht sich auf die weite Reise von Dharamsala nach Hamburg.
Ich spüre die fast zu große Verantwortung. Was, wenn ihr auf der langen Reise etwas zustößt? War es die richtige Entscheidung, sie einzuladen? Werden wir uns mögen oder fremd bleiben? Wird es ihr in Hamburg gefallen?
Als sie schließlich am Hamburger Flughafen landet, sind wir beide sehr berührt. Wir fühlen uns schnell vertraut und nah. Es folgen 2 spannende Wochen.
Für Kelsang ist alles neu und wir, mein Mann und ich, sehen unsere Welt nochmals neu durch ihre Augen. Eis essen, ans Meer fahren, ins Popkonzert gehen, lange warm duschen. Kelsang kann sich über alles so freuen und diese Freude nimmt uns mit.
Wir kochen zusammen, sie zeigt uns, wie man Momos zubereitet und unsere kleine Küche ist auf einmal ganz groß. Wir reden viel, über Alltägliches, über Politik, über das Weltgeschehen.
Sie berichtet, wie es ihr ergangen ist, mit der Patenschaft, wie wichtig dies für sie und ihre Familie war.
Wie sehr die Deutsche Tibethilfe dort hilft. Hilfe zur Selbsthilfe im besten Sinne. Kelsang und ihre Geschwister haben alle eine Ausbildung gemacht, haben eine Arbeit und verdienen Geld. Sie können ihre Eltern unterstützen, die nun schon sehr alt sind. Kelsang erzählt uns über das Leben in Dharamsala, über die Tibeter.
Wir fahren ein Wochenende nach Berlin zu unseren Kindern und Enkeln. Alle sind begeistert, durch Kelsang so viel Neues zu lernen.
Ich bin beschämt und dankbar. Was ich vor 22 Jahren ohne viel Überlegen entschieden hatte, hat sich als wirklich gute Sache herausgestellt – eine Patenschaft für Kelsang. Dafür bin ich der Deutschen Tibethilfe sehr dankbar. Mithilfe ihrer sorgsamen und engagierten Arbeit landet das Patengeld wirklich vor Ort, wird in Bildung investiert und hilft den Tibetern ein selbstständiges unabhängiges Leben zu führen.
Nächstes Jahr möchten mein Mann und ich 3 Wochen nach Indien reisen und Kelsang und ihre Familie besuchen.
Hamburg, Juli 2017 – Bettina Vesper